„Unsere Aufgabe ist es, das Kollektiv vor vorzeitigen Leistungsfällen zu schützen.“

Interview mit Simon Laule, Gruppenleiter Risikoprüfung bei der Stuttgarter, über das Ziel seiner Arbeit, vermeidbare Fehler in der Antragstellung und Grenzen von Tools zur Risikovoranfrage.

„Unsere Aufgabe ist es, das Kollektiv vor vorzeitigen Leistungsfällen zu schützen.“
Simon Laule © Die Stuttgarter

Welchen Stellenwert hat die Risikoprüfung (in der BU-Versicherung) sowohl für Kunden, Vermittler und auch den Anbieter selbst?

Simon Laule: An oberster Stelle steht der Schutz des Kollektivs und damit der Schutz vor Antiselektion (negative Risikoauslese). Das tun wir, indem wir Antragsteller mit erhöhtem BU-Risiko erkennen und dieses Risiko durch Maßnahmen, z. B. Zuschläge und Ausschlussklauseln, wieder ausgleichen. Bei besonders stark erhöhten Risiken müssen wir auch mal vollständig ablehnen oder zurückstellen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut prüfen. So bleiben die eingegangenen Risiken für die Vertragslaufzeit kalkulierbar und unsere Beiträge stabil. Darauf vertrauen unsere Kunden und setzen unsere Vermittler.

Und was genau prüfen Sie? Geht es da immer nur um die Gesundheitsfragen?

Simon Laule: Nicht nur. Bei der Prüfung der Gesundheitsfragen aus dem Antrag und der Einschätzung des Gesundheitszustandes handelt es sich um die medizinische Risikoprüfung. Daneben prüfen wir im Rahmen der finanziellen Risikoprüfung die Angemessenheit der gewünschten Absicherung und im Rahmen der Sonderrisiken mögliche bevorstehende Auslandsaufenthalte sowie besondere Gefahren in Sport und Freizeit. Aber auch die ausgeübte berufliche Tätigkeit und deren spezifische Berufsrisiken sind Gegenstand der Risikoprüfung. Sie sehen, das Aufgabengebiet eines Risikoprüfers ist vielseitig.

In der Tat. Stichwort Antrag. Was sind die häufigsten Fehler, die Sie in Antragsfragen entdecken?

Simon Laule: Die häufigsten Fehler sind unzureichend beantwortete Gesundheitsfragen.

Was bedeutet „unzureichend“ konkret?

Simon Laule: Zum Beispiel das Fehlen von Angaben über die Beschwerdezeiträume und -häufigkeiten, Arbeitsunfähigkeitszeiten oder den gegenwärtigen Zustand einer Vorerkrankung, so führt das selbst bei Bagatellerkrankungen sehr häufig zu aufwändigen und vermeidbaren Rückfragen.

Wie können Vermittler und Kunden diesen unnötigen Mehraufwand vermeiden und damit auch schneller zur Policierung kommen?

Simon Laule: Ein vollständig ausgefüllter Antrag ist das A und O. Bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen sollte nicht versucht werden, sich möglichst kurz zu halten. Je ausführlicher das Krankheitsbild beschrieben wird, desto klarer wird das Bild für jeden Risikoprüfer. Bei schwereren oder chronischen Erkrankungen sollte möglichst immer ein Fragebogen und ärztlicher Bericht mit eingereicht werden.

Das klingt jetzt wiederum sehr aufwändig für Vermittler und Kunden.

Simon Laule: Es dient aber dem Ziel. Ein sorgfältig aufbereiteter BU-Antrag kostet erst mal viel Zeit, gibt dem Kunden und Vermittler jedoch im Leistungsfall auch eine hohe Sicherheit, alles richtig beantwortet zu haben, und führt nebenbei zu einer schnelleren Policierung durch weniger Rückfragen. Auch im Leistungsfall führt dies schneller zur Leistung.

Gesunde Menschen gibt es kaum. Macht es Sie stutzig, wenn ein potenzieller Neukunde laut Gesundheitsfragen im Antrag „kerngesund“ ist?

Simon Laule: Stutzig nicht. Auch kerngesunde Antragsteller durchlaufen unsere Risikoprüfung. Hier wird der Fokus allerdings auf die finanzielle Risikoprüfung, die Prüfung der Sonderrisiken, der beruflichen Tätigkeit und Berufsrisiken gelegt. Stichprobenartig werden jedoch zu Anträgen auch Hausarztberichte angefordert. Hier prüfen wir dann auch bei Kerngesunden, ob die Angaben im Antrag mit denen des Hausarztes übereinstimmen.

Mit welchen Erfahrungen?

Simon Laule: Leider machen wir hier die Erfahrung, dass es in rund 30 % der angeforderten Stichproben-Hausarztberichte schlussendlich nicht bei einer normalen Annahme bleiben kann, da der Hausarzt doch noch abweichende oder ergänzende Angaben zum Gesundheitszustand des Antragstellers macht.

Aber Berge von Krankenakten können den gesamten Prozess auch schnell lähmen. Was hilft Ihnen wirklich bei der Risikoprüfung?

Simon Laule: In der Risikoprüfung sind diese Unterlagen eher hinderlich und überladen den Risikoprüfungsprozess. Vor allem Krankenkassenauszüge ohne zusätzliche Informationen seitens des Kunden geben kaum Auskunft über die genauen Beschwerden und zugrundeliegende Erkrankung, da diese lediglich Abrechnungscodes und -diagnosen enthalten. Das sollte uns bitte nicht eingereicht werden. Im Zweifel müssen wir zu jeder Abrechnungsdiagnose einen Fragebogen anfordern. Erst im Anschluss daran erhalten wir ein klareres Bild über den Krankheitszustand des Antragstellers und können eine Einschätzung vornehmen.

Gruppenleiter Risikoprüfung Simon Laule im Gespräch
Simon Laule im Interviewgespräch

Wie kann der Vermittler einen Fragebogen vermeiden und wann ist ein Fragebogen unverzichtbar?

Simon Laule: Durch eine gute Zusammenfassung eines Krankheitsbildes kann in vielen Fällen auch auf einen Fragebogen verzichtet werden. Unsere Fragebögen sind auf einzelne Krankheits- und Beschwerdebilder speziell abgestimmt und sollen gerade dabei helfen, dass die Angaben gemacht werden, welche für die Risikoeinschätzung benötigt werden. Reichen die Informationen des Antragstellers nicht aus, bleibt noch die Möglichkeit, ärztliche Berichte anzufordern. Wir sehen unsere Fragebögen als Hilfestellung und nicht als notwendiges Übel. Interne Auswertungen haben bereits bestätigt, dass Anträge, die mit Fragebögen eingereicht werden, die Durchlaufzeiten deutlich verkürzen.

Wie kann der Vermittler seinen Kunden erklären, warum es manchmal einen Zuschlag und manchmal einen Ausschluss gibt?

Simon Laule: Eine Ausschlussklausel kann vereinbart werden, wenn die Vorerkrankung klar abgrenzbar ist bzw. diese einem klar abgrenzbaren Bereich des Körpers zugeordnet werden kann. Etwa bei einem Wirbelsäulen-, Knie- oder Handgelenkschaden. Aber auch bei Schwerhörigkeit oder Tinnitus.
Viele Erkrankungen lassen sich jedoch nicht klar abgrenzen und können sich auf unterschiedliche Bereiche des Körpers auswirken. Etwa Über- oder Untergewicht, Fettstoffwechselstörungen, Herzinsuffizienz oder Bluthochdruck. In diesen Fällen wird ein Zuschlag erhoben.

Und manchmal muss auch abgelehnt werden. Was sind die häufigsten Gründe dafür?

Simon Laule: Am häufigsten führt das Zusammenspiel mehrerer Erkrankungen zu einer Ablehnung. Wir sehen beispielsweise aus Sicht des Kunden den Versicherungsschutz bei mehr als 2 Ausschlussklauseln bereits so stark eingeschränkt, dass wir ablehnen. Bei besonders schweren Vorerkrankungen (z. B. Krebserkrankung, Epilepsie, Diabetes und schwere Depression) kann es bereits auch hier zu einer Ablehnung kommen.

Hier müssen wir unser Kollektiv vor vorzeitigen Leistungsfällen schützen. Das ist unsere primäre Aufgabe in der Risikoprüfung.

Die Entscheidung über eine Versicherbarkeit wollen Vermittler und Kunden so schnell wie möglich. Hier dienen Tools zur Risikovoranfrage. Aber in der Risikoprüfung scheint der Faktor Mensch immens wichtig. Wo haben Voranfrage-Tools ihre Grenzen?

Simon Laule: So weit sind die elektronischen Risikoprüfungstools leider noch nicht, dass auch sämtliche Unterlagen selbstständig eingeschätzt werden können. Aber es gibt hierzu bereits erste Anbieter auf dem Markt, die auf künstliche Intelligenz setzen und auch Arztberichte automatisch auslesen möchten. Da können wir gespannt sein, was zukünftig noch alles möglich sein wird.

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